01.06.1992 – 25.03.2022

Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich da tue und was auf mich zukommen wird, als ich Dich im Frühjahr 1996 kennengerlernt habe und Du mit Veronika und mir nach Friedberg gezogen bist. Wir haben damals noch am Abend auf unserer ersten Pachtfläche mit Sekt angestoßen. Du hast auch ein Glas über Deinen Hafer bekommen – und sofort im Anschluss dadurch beflügelt – Deine Stute gedeckt J

Im Herbst 1996 haben wir Dich in die „Grundschule“ gebracht. Und danach sind wir beide viel gemeinsam durchs Gelände gestreift. Ich war furchtbar unerfahren, konnte allenfalls auf Dir sitzen, aber „Reiten“ konnte ich noch nicht. Zumindest nicht wirklich.

Im Januar 1997 haben wir Dich zur Töltausbildung weg gegeben. Das bereue ich bis heute. Und es tut mir leid. Ich wollte mit meinem wenigen Wissen nichts falsch machen. Als Du im April zurück kamst, hast Du die Welt nicht mehr verstanden. Man hat Dich vollkommen überfordert, Dir deinen Körper und ein bisschen deiner Seele gebrochen. L

Wie sich 3 Jahre später heraus stellte, hat man Dir Teile deiner Wirbelsäule kaputt geritten – Hauptsache, Du töltest und bekommst gute Noten…. Oh Mann, was für ein beschissenes System!  Ich schäme mich zutiefst, dass ich dieses „Spiel“ mitgespielt habe. Wenn es auch dazu geführt hat, dass ich angefangen habe, zu hinterfragen. Mein Reiten zu reflektieren. Die Dogmen und Regeln der Institutionen kritisch zu sehen. Den IPZV und sein gesamtes System auf meinen eigenen Prüfstand zu stellen. Das war gut so! Auch wenn der Anlass eindeutig zu Deinen Lasten ging. So ist das nun mal mit den zwei Seiten einer Medaille…

Ein Prozess fing an. Das Saatkorn in mir, die gesamte (Islandpferde) – Reiterei kritisch in Frage zu stellen,  nach Alternativen zu suchen, war eingepflanzt.  Gott sei Dank ist es aufgegangen….  Ich durfte einfühlsame und gute Lehrer  kennenlernen. Dr. Dörr, Dr. Gerd Heuschmann, Philipe Karl, Andrea Jänisch, u.a..

Du bekamst ein ganzes,  langes Jahr Pause! Weide, soweit das Auge reicht. Mädels und KEINEN Menschen. Im Jahr 2001 begann eine neue Zeit für uns beide. Du hast jeden meiner zaghaften Schritte mit gemacht, ertragen, versucht zu verstehen, mir geholfen.

Es folgten 10 lehrreiche Jahre. Mit unzählbar vielen Kilometern Wanderritten, Deutschen Meisterschaften, Prüfungen zum Trainer C, Trainer B, Pferdewirt, Pferdewirtschaftsmeister, ein paar Turnieren und vielen wunderschönen Momenten.

2013 durfte ich meinen bescheidenen Teil zur Islandpferde WM in Berlin beitragen. Der offizielle Song zu dieser Weltmeisterschaft „fiel mir zu“ und ich habe ihn in Eigenregie aufgenommen. In dem Video spieltest Du die Hauptrolle. Wir waren eine ganze Nacht  lang in Augsburgs Shopping Mall, der  „City Galerie“. Zusammen mit Dir. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, nachts gegen 02.00 Uhr auf jeder Etage einmal durch das gesamte Einkaufszentrum zu tölten. J Die Schauspielerin, die Du in dem Video trägst, saß vorher noch nie auf einem Pferd – Du hast Dich auf sie eingestellt. Hast ihr geholfen. Sie getragen. Danke dafür! Das Video hat mir persönlich nie wirklich gefallen – auch wenn ich den Dreh einfach nur toll fand. Eben saß ich bei Dir auf der Weide, um noch ein paar Augenblicke mit Dir zu verbringen. Ich habe es mir nach Jahren mal wieder angesehen. Jetzt mag ich es. …!

Ein paar Jahre später spieltest Du die „inoffizielle Hauptrolle“ bei den Ritterspielen in Kaltenberg. Das war vermutlich aus deiner Sicht kein großer Spaß. Das tut mir leid. Du hast es dennoch mitgemacht.

Du hast unzählbar vielen ReiterInnen beigebracht, wie ein fein gerittenes und achtsam behandeltes Pferd auch im Tölt leicht in der Hand sein und im Rücken schwingen kann. Ich weiß, sie danken Dir dafür und erinnern sich teilweise noch immer daran. Auch wenn es bereits Jahre zurück liegt.

Du hast sehr viele „Kinder“, mein Lieber! Sehr viele tolle „Kinder“. Kinder, die ihren Menschen viel Freude bereiten. In denen Du weiter leben wirst. Einige von Ihnen leben bei uns an der Lechleite. Ich sehe Dich täglich ein bisschen in ihnen. Und das lässt mich lächeln und traurig sein zugleich.

Wenn ich auf die vergangenen 30 Jahre zurück blicke, fällt mir auf, Du hast mich in meinem „Ich“ ebenso intensiv geprägt und zu dem gemacht, der ich jetzt bin, wie meine Frau und meine tollen Kinder.

Du hast diesen Betrieb, mein Reiten, meinen Unterricht, meinen Umgang mit Deinen Artgenossen geprägt, wie kein anderes Lebewesen.

Das klingt alles ein wenig pathetisch. Ich weiß nicht, ob dieses Danke bei Dir ankommt. In den letzten 12 Monaten, besonders seit Dein Nervenleiden in der Hinterhand festgestellt wurde, bin ich mir nicht sicher, ob ich mich ausreichend um Dich gekümmert habe. Dir noch gerecht geworden bin. Ich weiß es nicht. Ich mache mir furchtbare Vorwürfe. Schäme mich. Und weiß dennoch nicht, ob ich es hätte anders / besser machen können. Ich werde in den nächsten Tagen weinen, bis ich leer bin.

Und fühle mich schon jetzt bodenlos leer.

Verzeih mir bitte all meine Fehler im Umgang und Reiten mit Dir. Ich hoffe, ich konnte Dir ein guter Mensch sein. Ich habe mich bemüht.

Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Abschied. So schön ich es mir vorstellen könnte. Mir fehlt dazu die Veranlagung… Tut mir leid. Dennoch – denn wir wissen es ja alle nicht, und für den Fall, dass ich mich täusche: Gute Reise mein Lieber. Ich werde Dich bei mir tragen, in allem, was ich tue. Deine Spuren sind mir in die Seele tätowiert. Du warst mir ein Begleiter. Ein Freund. Ein Lehrer. Ein Partner.

Jetzt bist Du gegangen. Grüß mir bitte all die lieben Pferde und Hunde, die Dich eine Zeit lang begleitet haben und vielleicht schon auf Dich warten – wo auch immer!

Mach`s gut!